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Birgit Pölzl

bild mit mutter


hanna. tochter

servus, mama, sag ich, schau, mama, sag ich: tulpen, deine lieblingsfarbe. sagt sie nichts, liegt einfach da, rührt sich nicht. hat ein nachthemd an, keine zähne, als ob es schon abend wäre, dabei ist es nachmittag: sechzehn uhr dreißig. leg ich die tulpen aufs bett, ans fußende, nehme ihre hand. mama, sag ich, immer: mama. ich beginne zu heulen. liegt da meine mama, ohne dass sie sich rührt, schickt ihre augen innen spazieren. schädelinnen. wenn ich mama sage, öffnet sie einen spaltbreit die augen, die pupillen huschen hinauf und nach hinten. dann fallen die lider ganz zu. wenn ich mama sage, öffnen sie sich einen spaltbreit wieder, und die pupillen huschen nach hinten, immer wieder. wetten, die haben ihr schlafmittel gegeben, wetten, die haben sie ruhig gestellt, damit sie keine umstände haben, eine frechheit ist das. ich streichle ihre hand, mama, ich schau meine hand an, wie meine hand ihre hand streichelt. nicht jung meine haut, ihre haut ist alt. nicht fest am fleisch meine haut, ihre haut steht ab, fleckig, faltig, voll störrischer haare. ich sitze, paul neben mir, dominique gegenüber. paul legt mir die hand auf die schulter, hält sie, wischt mit dem daumen vor und zurück, drückt, als ob er das weinen abstellen wollte. mein unterarm schneidet das gitter, das haben sie hochgezogen, damit die mama nicht herausfallen kann. und keiner kümmert sich richtig um sie. obwohl das ganz schön kostet, pension und pflegegeld und was ich dazuschieße: wir. das ist schon o. k., sie ist meine mama. aber wenn die sich nicht richtig um sie kümmern, obwohl sie länge mal breite kassieren, dann reg ich mich auf. freilich hab ich nichts zur mama gesagt, außer mama. immer hab ich nur mama gesagt und geheult. hätte ich sagen sollen, wie zum kotzen ich das alles finde? hätte ich sagen sollen, dass ich sie öfter besuchen komme, dass ich sie im rollstuhl spazieren fahre? sinnlos, zu oft gebrochen, zu oft nicht eingelöst: schippelweise baumeln die versprechen von der decke. bin ich also aus dem zimmer, die blumen noch immer auf dem bett, am fußende, bin ins schwesternzimmer und hab dort wind gemacht. den damen ordentlich meine meinung gesagt, dass das eine frechheit ist, wie sie meine mama behandeln. paul und dominique sind bei der mama geblieben, als ich aus dem zimmer bin, hab ich sie auf die blumen starren sehen. dann sind sie auf dem balkon gestanden, haben in die gegend geschaut. die aussicht ist ja sehr schön, die man vom balkon aus hat.

(Ausschnitt)

[kolik 30]