Rudolf Lasselsberger
ZETT
Andrea hängt im Garten die Wäsche auf. Burli, der Kater, schmiert
um das rote Plastikschaffl. Ajax, der Nachbarshund, bellt. Die Vögel rundherum
zwitschern durcheinander. Die Sonne scheint. Der Himmel ist fast ganz blau.
Nur schwach mit weißen Wolken durchzogen. Wie ein guter Speck.
Daß vorhin ein Anruf gewesen sei und niemand sich gemeldet habe, sagt
Georg.
So, fertig, sagt Andrea, ich mach eine Runde mit dem Rad, sagt sie.
Georg nickt. Ich mag das nicht, wenn sich niemand meldet, sagt er, man kann
sich ja entschuldigen, wenn man eine falsche Nummer gewählt hat, oder.
Ja, Leute gibts, die gibts gar nicht, sagt Andrea und schaut schnell noch was
bei der Gangschaltung nach.
Naja, ich muß wieder zu meinen Fliesen, sagt Georg und geht wieder ins
Vorhaus hinein.
Burli schmiert um die Speichen.
Na, Kater, sagt Andrea, gibt ihm mit dem Fuß einen leichten Schubs und
ist schon beim Gartentürl draußen.
Die Spuren der Düsenjäger kreuz und quer am Himmel. Gegen die Berge
am Horizont hin Wolkenknäuel. Sonst nur vereinzelt Schwaden. Der Ötscher
leuchtet weiß her. Der Fahrtwind kühlt.
Frauen, in gemusterten Schürzen, stehen gebeugt in Gärten, hacken
Reisig, hängen Wäsche auf. Männer, in blauer Montur, sitzen auf
Traktoren, kraxeln auf Dachstühlen herum.
Hinter dem Misthaufen glitzert der Hundsbach.
Andrea rauscht dahin.
Das Fahrrad hat sie von Georg zum Osterhasen bekommen, ein super Rad.
Sie kommt ins Schwitzen, und ist froh, endlich allein zu sein, und ohne schlechtes
Gewissen fährt sie in die Welt hinein, und ihr davon.
Auflachend nimmt sie die Hände vom Lenker, fährt freihändig.
Ein entgegenkommendes Auto hupt.
Typisch, ein Mann. Und wie er blöd grinst. Manche Männer schauen noch
blöder drein als wie ein Kalb, wenn es blitzt, hat sie Karins Stimme im
Ohr.
Sie gibt die Hände wieder auf den Lenker, schaltet noch einen Gang schneller.
Und über die Bahnübersetzung hinein nach Hof. Vorbei an der ehemaligen
Molkerei, am Busunternehmen, an den Wohnhäusern. Vor der Kreuzung, bei
der Trafik, schaltet sie zurück, biegt nach links ab, Richtung Fuchs. Vorbei
am Cafe Hammer. Und an den vor einigen Jahren erst erbauten Wohnblöcken.
Wo früher die Hammerschmied-Mühle war. Und dann eine Zeit lang der
kleine Privatzoo vom Spoiller Fred. Dem die Gemeindeväter das Leben so
lange versaut haben, bis er sich das Leben genommen hat, bis er sich aus dem
Weg geräumt hat.
Zuerst erschoß er seine Tiere, zwei Hunde, einen Esel, ein Lama und ein
Kamel. Dann legte er sich einen Strick um den Hals und setzte sich den Schlachtschußapparat
an, den er sich tags zuvor vom Fleischhacker geliehen hatte, der sich zwar gewundert,
aber nicht weiter nachgefragt hatte.
Die Tierfreunde mögen ihm verzeihen, schrieb er in den Abschiedsbrief,
den er an den Zaun heftete.
Am Horizont, vorne, hinter Fuchs, der Hiesberg, eine hügelige Waldkette
diesseits der Donau. Hervorderbei, beim Bahnhof in Fuchs, der Lagerhausturm.
Beim Cafe Gruber biegt Andrea ab, fährt die Kastanienallee entlang, in
deren Mitte die Pestsäule und der Pranger stehen. An der Post vorbei, die
Parkmauer entlang. Bei der Anhöhe, die aus dem Ort führt, gerät
Andrea etwas außer Atem. Links und rechts die, zum Großteil auch
erst in den letzten Jahren entstandenen, wie die Scherhaufen sind sie hochgeschossen,
zum Teil noch unverputzten Einfamilienhäuser, vor denen der Rasen gemäht
wird. Auf der Anhöhe wird vor einem Bauernhaus, es ist das Schweiger, Holz
geschlichtet, im nahen Feld tuckert ein Traktor, rechts drüben, auf der
Kaltenbrunnerhöhe, auch. Beim Hinunterfahren, auf der langen Geraden nach
der Bahnübersetzung, wo wieder die Wieselburgerbahn kreuzt, sind die Mücken
brennende Punkte auf der Haut, im Gesicht. Andrea biegt ins Tal hinüber
ab. Am Himmel zieht ein Düsenjäger die weiße Spur frisch ins
Blaue. Von einem mit Mistsuppe getränkten Acker kommt eine Böe daher,
Andrea verschlägt es einen Moment lang den Atem. Überall ist das Vogelgezwitscher.
Ringsum leuchtet das Grün. In das sie eintaucht. Das links und rechts hochkommt.
Neben der Straße rauscht die Mank, am Ufer ein Gehege mit Schafen und
Ziegen, daneben ein Pony. Die jungen Ackerbohnenblätter glänzen. Kurz
ein rostbrauner Schmetterling beim Vorderreifen. Am drüberen Ufer wird
Holz geschnitten, das Kreischen der Motorsäge. Ein Stückl weiter vorne,
bei der Holzbrücke, steigt Andrea ab. Sie geht in den Wald hinein, in Serpentinen
durch das Staudenwerk hinauf zum Sängerstein, einem steil abfallenden Felsvorsprung
mit guter Aussicht. Der Weg ist kotig, bedeckt von Laub und Aststücken.
Als es steiler wird, benützt Andrea das Holzgeländer. Oben angekommen,
setzt sie sich auf einen Stein. Zu den Füßen verkohlte Holzstücke,
Reste eines Lagerfeuers. Sie macht die Trainingsjacke auf, das Lüfterl
ist angenehm kühl. Es ist still. Am Himmel jetzt ein Wolkenmeer. Der grünblaue
Horizont, die grüne Landschaft, die Kirchtürme von Fuchs und Hof.
(Auszug)
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